Der renommierte Kulturwissenschaftler und Schriftsteller Prof. Dr. Klaus Theweleit beleuchtet als Anwohner der Staudingerstrasse die Auswirkungen des momentan geplanten Standortes auf Freiburg und insbesondere auf den Stadtteil Haslach (hier verfügbar auch als pdf):

(eine Übersichtskarte zum besseren Verständnis finden Sie hier)

 

Gutleutmatten: Blaulicht-Viertel?


Betreff:
der geplante Bau eines »Katastrophenschutzzentrums« auf dem Gelände der Alten Feuerwache an der Eschholzstraße in Freiburg-Haslach.

 Am 16. November 2011 fand im Großen Sitzungssaal des Technischen Rathauses ein Gespräch zwischen Gegnern und städtischen Befürwortern dieses Projekts statt; beteiligt: ca. 60 Bürger des betroffenen Wohngebiets und drei Vertreter der Stadt Freiburg: Herr Rösch (Büro des Bau-Bürgermeisters Prof. Dr. Haag), Herr Ebneth (Stadtplanungsamt), Frau Ruf (Amt für Projektentwicklung und Stadterneuerung). Das Gespräch lief so ab, dass die Vertreter der Stadt Fragen und Einwände der Bürger protokollierten, diese nur kurz beantworteten und im weiteren auf Antworten verwiesen, die sie, des komplexen Sachverhaltes wegen, schriftlich erteilen würden. Das wurde akzeptiert.

Das Protokoll dieses Treffens liegt seit dem 12. 12. 2011 vor unter dem Titel »Ergebnisvermerk«; unterzeichnet von Herrn Rösch (der auch die Sitzung leitete[1]). Diese schriftliche Antwort der Stadt auf die Einwände der Bürger gegen das geplante Katastrophenschutzzentrum lässt etliche der gestellten Fragen unbeantwortet. Und einige Fragen nimmt es gar nicht auf. Insbesondere Fragen zur Verkehrssituation in der Eschholzstraße und den umliegenden Straßen – auch im Hinblick auf die zu erwartenden Veränderungen der Situation durch das geplante Neubaugebiet Gutleutmatten – werden von der Stadt in diesem Antwortpapier nicht aufgenommen.

Hier liegen Probleme, von denen bei Lektüre des Papiers aus dem Büro des Baubürgermeisters Prof. Dr. Haag der Eindruck entsteht, dass sie den Vertretern der Stadt nicht recht bewusst sind. So gibt Herr Rösch auf die Feststellung von Anwohnern, »die Eschholzstraße sei schon heute überlastet«, die schriftliche Antwort: »Bei diesem Projekt sollte die Stadt nicht an Kosten sparen«. Das ist alles. Das ist nett. Aber was heißt das konkret? Kosten in eine Straße investieren, heißt ja wohl: sie ausbauen. Schön. Klingt aber, als wäre er noch nie vor Ort gewesen.

Hier soll einiges zur Verkehrssituation ausgeführt werden; denn das Problem »Katastrophenschutzzentrum an der Eschholzstraße« berührt keineswegs nur die direkten Anlieger der Feuerwehr im Erlenweg und Marienmattenweg; und auch nicht nur die 130 Bewohner der angrenzenden Seniorenresidenz »Erlenhof«; es berührt auch nicht nur die Belange der 100 m entfernten Staudinger Gesamtschule (ihr Sportgelände ist nur 50 m entfernt). Das Projekt berührt vielmehr die Belange des ganzen Quartiers zwischen Eschholzstraße im Osten und Markgrafenstraße im Westen; Carl-Kistner-Straße im Süden und Haslacher Straße im Norden.

»Bei diesem Projekt« – überlastete Eschholzstraße – »sollte die Stadt nicht an Kosten sparen«, schreibt Herr Rösch. Das kann nur heißen, man sollte die Eschholzstraße großzügig verbreitern; des zu erwartenden Verkehrsaufkommens wegen. Gut; fragt sich aber: wohin. Zur Feuerwehrseite hin ist nicht möglich; auf der gegenüberliegenden Seite sind Kleingärten; davon könnte man noch einiges abknapsen; dann haben wir eine verbreiterte Straße.

Doch dann, nächste Frage: wie kommt man da hinaus? Nach rechts in 400 m Entfernung haben wir die Kreuzung Basler Straße/Eschholzstraße an der Badischen Zeitung – eine der meistbefahrenen Kreuzungen in Freiburg; und zur Stadt hin ist die Basler Straße zu den meisten Zeiten des Tages verstopft.

Nach links hin ist es nicht besser: dort geht es in Richtung Innenstadt nur über den Zubringer Mitte. Der ist (inzwischen) meist ebenso verstopft wie die Basler Straße. Nach Norden hin müssen die Fahrzeuge durch die ganze Eschholzstraße (vor nicht langer Zeit verkehrsberuhigt); d. h. mit verengten Fahrspuren; alle paar Minuten kreuzen Straßenbahnlinien die Eschholz: die ist ein Schlauch.

Die Feuerwehr mit Blaulicht und Martinshorn kommt natürlich überall durch, gewiß. Aber jetzt kommen die zusätzlichen Fahrzeuge, die nach Bau des KatS-Z dort zu erwarten sind. Was ist zu erwarten? Baulich entsteht demnächst nach Süden hin links und rechts der Eschholzstraße das Neubaugebiet Gutleutmatten, zwischen Feuerwehr und Badischer Zeitung; 150 m vom geplanten KatS-Z entfernt. Durch das neue Gutleutmatten-Wohngebiet wird selbstverständlich keine Schnellstraße führen; es wird verkehrsberuhigt; 30km-Zone; und vernünftigerweise gehörten Schwellen dahin. Dort sollen ca. 1300 Leute wohnen[2] (nicht nur mit Kindern und Hunden; mit ihren Autos, versteht sich). Die stehen zwar nachts in der Tiefgarage; aber tags werden sie (die meisten) freigelassen. Das Verkehrsaufkommen in der Eschholzstraße – jetzt schon überlastet – und auf der Kreuzung Basler/Eschholz, vervielfacht sich noch; das ist keine Prognose; das hat (in ein paar Jahren) Tatsachencharakter.

Die erhöhte Verkehrsbelastung wird durch die vom KatS-Z zu erwartenden Fahrzeuge noch einmal gesteigert. Nach dem Bau des KatS-Z sollen ca. 885 Menschen auf dem Gelände arbeiten; bisher sind es 535. Die zusätzlichen 350 Mitarbeiter rekrutieren sich aus: Deutsches Rotes Kreuz (DRK), 120 Personen; Malteser Hilfsdienst, 80 Personen; Bergwacht Schwarzwald, 45 Personen; Tauchergruppe Pinguine, 25 Personen; Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), 50 Personen; Veterinärzug Freiburg, 30 Personen; (diese Angaben stammen aus dem offiziellen Lärmschutzgutachten[3].

Für diese knapp 900 Menschen weist die Stadt in ihrer bevorzugten »Planvariante 1« neunzig PKW-Stellplätze aus. Das sind erstens viel zu wenig für das zu erwartende Verkehrsaufkommen; zweitens befinden sich diese Stellplätze direkt vor den Häusern der Erlenwegbewohner und beim Seniorenheim. Einfach eine Fehlplanung? Ja und nein. Nein, weil es gar keinen anderen verfügbaren Raum für Parkplätze gibt in diesem Gelände. Allein dieser Punkt zeigt schon die Deplaziertheit des geplanten Katastrophenschutz-Baus an diesem Standort: es ist viel zu wenig Platz da für den projektierten Gigantismus des Zentrums. Und für spätere (mit Sicherheit irgendwann notwendige Erweiterungen) gibt es erst recht keinen Platz.

Dies alles erhöht die Brisanz der Frage nach der »allgemeinen Verkehrssituation« im Bereich Eschholzstraße, Haslacher Straße, Markgrafenstraße, Staudingerstraße, Carl-Kistner-Straße. Alle diese Straßen werden die zusätzlich im neuen Zentrum Beschäftigten, die keinen Parkplatz haben, aufnehmen müssen; und außerdem den mit dem KatS-Z verbundenen Lieferverkehr. Dazu kommen die Autos, die in den Gutleutmatten zu tun haben werden, geschäftlich oder als Besucher. Aus gutem Grund sind alle genannten Straßen, bis auf die Eschholzstraße, 30km-Zonen: verkehrsberuhigte Wohngebiete. Und zugeparkt bis zum Rand schon jetzt. An der Ecke Haslacher Straße/Markgrafenstraße ent­steht zudem momentan ein großer städtischer Wohnkomplex für 250 Menschen[2]. Dem ganzen Gebiet droht ein massiver Verkehrskollaps.

Einigermaßen unbelastet ist bisher nur die Staudingerstraße im Schulbereich. Auch damit würde Schluß sein. Die Feuerwehr und das KatS-Z werden von der »Rückseite« her, von der Staudingerstraße her, aus Ermangelung vernünftiger Parkmöglichkeiten zugeparkt werden. Das ist erstens unmöglich für die Situation der Schüler: der Schulhof grenzt direkt an die Straße; die Straße wird genutzt für Pausengänge der Schüler (Gänge zum Bäcker etc.). Zudem ist die Staudingerstraße die Ausfahrtstraße der Feuerwehr nach Westen. Es ist absehbar, dass deren Ausfahrt im Notfall erheblich erschwert bzw. behindert würde bei stärkerer Belastung bzw. Verstopfung der Staudingerstraße durch parkende Autos. Um diese Ausfahrt freizuhalten, ist ja die Schranke in der Staudingerstraße da. Hier ergibt sich sogar eine ganz direkte voraussehbare Behinderung der Feuerwehr durch das angegliederte Katastrophenschutzzentrum. Außerdem eine massive Behinderung der Eltern- und Lehrerzufahrten zur Schule. Statt günstig dafür zu sein, die Folgen eventueller Katastrophen zu bekämpfen, droht das KS-Zentrum an diesem Platz selber eine Katastrophe zu werden.


Zweiter Punkt: die zu erwartende Steigerung der Lärmbelästigung. Auch hier geht es um mehr als die gestressten Ohren der direkten Anlieger. Auf den Hinweis, das in der Planung befindliche Neubaugebiet Gutleutmatten werde nur ca. 150 m vom geplanten Katastrophenschutzzentrum entfernt liegen und die künftigen Bewohner hätten keine Möglichkeit, jetzt Einspruch einzulegen, antwortet Herr Rösch in seinem »Ergebnisvermerk« für das Gutleutmatten-Gebiet: »Eine direkte relevante Beeinträchtigung etwa durch Lärmimmissionen kann ausgeschlossen werden«.

Das ist eine kühne Aussage. Wenn nicht sogar tollkühn. Sie hätte (vielleicht) Bestand, wenn gewisse physikalische Grundgesetze außer Kraft gesetzt wären. Bisher aber reist der Schall noch mit 333 m pro Sekunde. Innerhalb dieser Entfernung vom geplanten KSZ aus erstreckt sich das gesamte Gutleutmatten-Gebiet. Jedes vom geplanten Katastrophenschutzzentrum aus startende Auto mit Blaulicht und Martinshorn (und eben nicht nur die Feuerwehr, sondern Rot-Kreuz und Malteser!) ist dort innerhalb einer Sekunde zu hören. Und zwar im gesamten Gutleutmattenbereich. Herr Rösch (ich wiederhole seinen Satz): »Eine direkte relevante Beeinträchtigung etwa durch Lärmimmissionen kann ausgeschlossen werden«.

Das ginge in der Tat nur, wenn sich das gesamte Viertel mit 333 m/sec. in Richtung Badische Zeitung und dann weiter nach St. Georgen entfernen würde. Tut es dies nicht, kommt jedes Hornsignal dort voll an; und zwar innerhalb einer Sekunde. Und dies ergibt – nach den zu erwartenden Abruf-Frequenzen für die Einsatzwagen der Malteser und des Roten Kreuzes (allein für das DRK mehr als 40.000 Einsätze im Jahr) – einen Rhythmus von ca. 6 Ausfahrten pro Stunde, also etwa alle 10 Minuten; Tag und Nacht. Aber der Stadtbau-Mann Rösch dekretiert, an einem normalen Mittwoch im Technischen Rathaus: »Eine direkte relevante Beeinträchtigung etwa durch Lärmimmissionen kann ausgeschlossen werden«. Das können die späteren Gutleutmatten-Bewohner sich einrahmen lassen und über ihre Betten hängen.

Aber so ignorant kann er nicht sein – denkt man, als freundlicher Mitmensch. Gut möglich, wahrscheinlich muß man ihn genauer lesen. Was sagt er denn wirklich: dass es keine relevanten Lärmimmissionen geben werde, sagt er. Darauf kommt es an, auf das Wörtchen »relevant«. Wenn man sechs mal Martinshorn in der Stunde mit Blaulicht als »irrelevant« ansieht, dann stimmt sein Satz. Man kann das so sehen. Das tun die Bewohner des Seniorenheims vermutlich auch – die bekanntlich schwerhörig sind, bzw. zu sein haben. (Wir hören ja aus allen Ecken und Enden, dass alle möglichen relevanten Personen Freiburgs eine Tante, Mutter oder Großmutter in diesem Seniorenheim untergebracht haben oder hatten, und nie, niemals hat sich eine von diesen über Belästigungen vom Nachbargrundstück beschwert). Komisch, bloß komisch, dass es die jetzigen Bewohner tun, sowohl über Lärm wie über nächtliche Erleuchtung ihrer Schlafzimmer durch nachbarliche Flutlichtmasten (ohne dass Fußball geboten würde).

Aber, Herrn Röschs Relevanzen hin oder her, die Fahrzeuge der Malteser und des DRK werden ausfahren, weil sie es müssen, wenn angefordert. Und sie werden ihre Hörner und Blaulichter einschalten, weil sie auch das müssen, denn sonst greifen ihre Sonderbefugnisse im Straßenverkehr nicht. Das Tatütata nervt; selbst in erheblich geringerer Frequenz. Hier nun soll es absehbar verdichtet werden. Die künftigen Bewohner der Gutleutmatten, wer immer sie seien, hätten ein wenig mehr Empathie seitens der Stadt verdient (zu schweigen von denen, die schon im Areal wohnen). Sie alle sagen herzlich »Nein, danke« zum Coup, den die Stadt mit ihnen vorhat. Die Gutleutmatten-Leute speziell können sich bedanken für das Schildchen, das ihrem Areal auf diese Weise umgehängt wird: Blaulicht-Viertel.

Mit Rotlicht-Vierteln hatte die Stadt immer ihr Problem. Nun schickt sie sich an, das Farbproblem auf ganz besondere Weise anzugehen; mit der Etablierung von Blaulicht-Zonen; hergestellt unter dem harmlosen Etikett eines »Katastrophenschutzes« der besonderen Art; sehr sinnig; und außerdem nahe daran, die Gesetze von Schall und Schallgeschwindigkeit für die Gutleutmatten außer Kraft zu setzen. (Endlich mal wieder ein Nobelpreis nach Freiburg; könnte klappen; im Nobel-Komitee sitzen keine Haslacher.) Noch aussichtsreicher wäre allerdings der Antrag auf einen Preis für Schildbürgersteiche[4] als solcher nämlich wird sich das Projekt KatS-Z an der Eschholzstraße herausstellen, würde es denn verwirklicht.

 

Nächste Frage: Ist ein Katastrophenschutzzentrum nahe des Zentrums einer Stadt überhaupt sinnvoll? Alle Städte, die im Moment Katastrophenschutz-Zentren bauen oder gebaut haben (Mannheim, Dresden, Stuttgart, Cloppenburg, Heidelberg), lagern diese aus; bauen sie außerhalb von Stadtzentren. So auch die im Bau befindliche Landesfeuerwehrschule Baden-Württemberg in Bruchsal (Projekt des Ministeriums). Experten »mit Erfahrung« gehen davon aus, dass im Falle einer wirklichen Katastrophe alle Zu- und Abfahrtswege zum und vom Zentrum einer Stadt sofort verstopft sein werden. Die Freiburger Eschholzstraße ist, wie oben ausgeführt, ein ausgewiesen ungünstiger Standort für einen solchen Fall (nur zwei Wege Richtung Innenstadt: über den Zubringer Mitte und über die Basler Straße. Beide an normalen Werktagen oft »zu«; zur Rush-Hour sowieso; also nicht nur bei Heimspielen des SC, wo die Staus kilometerlang nach Westen reichen.)

Ein Operationsstandort Hochdorf wäre weit flexibler; sowohl in Richtung Innenstadt, besonders aber in Richtung Autobahn, wo einsatzrelevante Katastrophen (Massenunfälle; umgestürzte Laster; ausgelaufene Ladungen etc.) am ehesten zu erwarten sind. Und für Löscheinsätze Richtung Innenstadt ist die bestehende Feuerwehr in der Eschholzstraße ja da und voll funktionsfähig ausgebaut. Niemand verlangt deren Entfernung oder Verlegung.

Richtig: die andern genannten Städte bauen – da wo sie neu bauen – Feuerwachen und Katastrophenschutzzentren zusammen. Dagegen ist auch nichts zu sagen. Aber dass sie zwingend zusammen gehören, ist damit keineswegs gesagt und ist auch nirgendwo festgeschrieben oder verlangt. Die Entscheidung liegt im Ermessen der Gemeinderäte und ihrer Ausschüsse.

Daß Feuerwehren mit Katastrophenschutzzentren am selben Platz lokalisiert sein sollten, ist eine Idee. Eine Idee, die sich gut anhört. Eine abstrakte Idee allerdings, die an Überzeugungskraft durchaus einbüßt, wenn man sie genauer prüft. Daß bei Löscheinsätzen die Feuerwehrwagen und die etwaig benötigten Rettungssanitäter der Malteser oder des Roten Kreuzes vom selben Ort aus starten müssen, ist keineswegs notwendig; manchmal vielleicht sogar hinderlich. Fachlich konkret spricht überhaupt nichts für eine Unterbringung von Feuerwehr, Maltesern, Bergwacht, DLRG etc. am selben Platz. »Zentralisierung« ist eine Idee, die sich gut anhört (solange man nicht viel drüber nachdenkt.) Meist wird sie propagiert von Verwaltungen, die sich Vereinfachungen davon versprechen. Und sehr oft treten diese Vereinfachungen dann nicht ein und die erhoffte Kosteneinsparung ebenso wenig.

Von Vorteil in diesem Fall könnte allenfalls sein, dass man die praktischen Ausbildungsübungen von Azubis der Feuerwehr und Azubis des Katastrophenschutzes besser bündeln könnte. Dieser Umstand rechtfertigt aber nicht den mutwilligen zerstörerischen Eingriff in ein ganzes Stadtareal. Zu entscheiden hat ein Gemeinderat, der nachdenkt; und nicht einer, der (aktuell) »vernünftig« klingendem Wortgeklingel folgt. Mit dem ersten Baustein der Gutleutmatten-Bebauung spätestens werden die Dinge konkreter und wird das Geklingel verflogen sein.

 

Ein abschließendes Wort zur notwendigen Ausbildung des Katastrophenschutz-Personals. Zu den vielfältigen Übungseinheiten gehört z. B. das Aufschweißen und Aufflexen von Autowracks; eine wichtige Übung zur Befreiung eingeklemmter Unfallopfer. Diese Übung schließt ein: schrille Lärmentwicklung, scharfen Brandgeruch zwischen Flex und Metall; weggeflexte Partikel in der Atemluft. Die Übenden arbeiten mit Schutzmasken. Warum solche Übungen »zentrumsnah« stattfinden müssen, möchte mal einer der Befürworter erklären. Und bitte erklären, warum solche Übungen, wie beim geplanten Zentrum ja der Fall, durchgeführt werden müssen direkt angrenzend an einen Kinderspielplatz; 100 Meter entfernt von einer Großschule (Staudinger Gesamtschule); 5‑50 Meter entfernt von Wohngebieten (Erlenweg, Marienmattenweg); 30 m entfernt von einem Seniorenheim; und 150 m entfernt vom geplanten Neubaugebiet Gutleutmatten. Bitte, erklären Sie!

Die zu erwartenden Übungszeiten: Es werden an 6 Tagen in der Woche Übungen zwischen 6 und 22 Uhr abgehalten, in Ausnahmefällen auch an Sonn- und Feiertagen (7-20 Uhr), mit Kranwägen (bis 112 dB), Notstromaggregaten (106 dB) und Warnpiepsern (109 dB).

Und möchte bitte auch jemand erklären, warum solche Übungen nicht viel besser in einem Industriegebiet stattfänden. Einem Industriegebiet, das – bei den relativ geringen Entfernungen, die wir in Freiburg haben – von seiner Lage her keineswegs ungünstiger zu vielen möglichen Einsatzorten liegt. Im Gegenteil; gegenüber vielen zu erwartenden Einsatzorten, insbesondere Autobahn, liegt das Industriegebiet Hochdorf durchaus vorteilhaft.

 

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P.S. Noch eine (notwendige) Information zum existierenden Lärmschutzgutachten der Firma »Möhler+Partner Ingenieure AG«. Um das Verfahren dieses Gutachtens zu beschreiben, zitieren wir aus dem Gutachten selbst[3]:

»Um das Geräuschaufkommen unterschiedlicher ÜE (das sind Übungseinheiten) prognostizieren zu können, wurden die Geräuschabstrahlungen relevanter Arbeitsvorgänge und Geräte der Feuerwehr, ebenso die Lade- und Standgeräusche der Feuerwehrfahrzeuge der einschlägigen Literatur (Herstellerangaben) entnommen und deren übliche Wirkzeit über die Zeit einer ÜE (90 min) gemittelt«.

In einfachem Deutsch heißt das: die in Frage stehenden Lärmwerte sind nicht etwa gemessen worden; sie sind rein rechnerisch ermittelt worden. Ermittelt nach Angaben, die z. B. der Hersteller eines Feuerwehrwagens in seiner Produktbeschreibung für sein Feuerwehrauto angibt. Die Werte aus solchen Angaben sind dann zusammengezählt, »gemittelt« und hochgerechnet worden. Und für solche »Gutachten« gibt die Stadt gutes Geld aus.

Es steht zu befürchten, dass sie weiß, warum: Denn diese »Gutachter« kommen zum »Ergebnis«, dass die zu erwartende Lärmbelastung um 0,1 Prozent unter den geltenden Dezibel-Grenzwerten liegt: 0,1-Prozent! Wo jeder Student im 1. Semester (oder sogar im 0,1. Semester) lernt, dass bei solchen Begutachtungen mit einer Normabweichung von plus minus 3 Prozent zu rechnen ist. Das Gutachten also nicht das Papier wert ist, auf dem es steht. Aber: es sind genau solche »Ergebnisse«, welche das Stadtbauamt braucht, um weiter an diesem Standort festhalten zu können. Um den Preis der Verarschung der Bürger: Gleich zwei Gutachten der beauftragten Münchner Firma kommen jeweils zum Schluß, dass die Belastungen um 0,1 % unter den geltenden Richtwerten liegen! Was für ein Wunder der Rechenkunst. Lärm-Messgutachten ohne Messungen und – ohne Ohren. (Klicken Sie mal die www.Freiburg21.de Seite an und hören Sie die Videos mit Geräuschen an, die eine Einwohnerin des Erlenwegs ins Netz gestellt hat. Aufnahmen vom Lärm, der jetzt schon da ist und den die Anwohner ertragen. Eine Steigerung durch das KatS-Z braucht niemand!)

Erst recht nicht braucht man »Gutachten«, die (nach ausgeübter Nicht-Messung) folgendes Ergebnis errechnen: »Somit ist davon auszugehen, dass aufgrund von Art und Umfang der vorgenannten praktischen Übungen, die Nutzung des KatS-Zentrums mit einer deutlich geringeren Lärmerzeugung, als während der bisher üblichen Feuerwehrübungen, einhergeht«. Das steht da wirklich drin.

Da steht drin, dass durch das neu hinzugebaute Katastrophenschutzzentrum der Lärmpegel der ganzen Anlage eher sinken wird. Und mit so was in der Hand traut sich das Stadtbauamt vor denkende Menschen. Peinlich? Ja – hätte man dort ein Organ für solch eine Empfindung.

 

Hätte man ein Organ für die Empfindung der Peinlichkeit, würde man sich in den Reihen der Stadtverantwortlichen gewiß auch an den Stadtteilentwicklungsplan (STEP) für Haslach erinnern, der 2008 verabschiedet wurde. Er fordert eine Aufwertung des Stadtteils Haslach als Wohngebiet. Dazu gibt es auch bemerkenswerte Initiativen; u. A. die des Stadttheaters Freiburg mit Expeditionen in die unbekannten Teile von Haslach und regelmäßige Veranstaltungen in der neu aufgemachten Spielstätte im Finkenschlag. Die Planung des Kat.S-Z im Stadtteil schlägt solchen Bemühungen ins Gesicht.

Auch hierauf weiß Herr Rösch etwas zu erwidern. Auf den Hinweis der Anwohner: »Alle drei Planungsvarianten widersprechen dem Stadtentwicklungsplan« lautet sein Antwort: »»Bei der Entwicklung des Stadtteilentwicklungsplans Haslach im Jahr 2008, war dem damaligen Referat für Stadtentwicklung und Bauen die Planung zur Erweiterung des Brand- und Katastrophenschutzzentrums in ein zentrales Rettungszentrum nicht bekannt«.

Diese Antwort macht sprachlos. Weil sie unterstreicht, was die Stadt von ihren eigenen Stadtentwicklungsplänen hält: buchstäblich nichts. Hier traut sich ein Stadtangestellter in verantwortlicher Position auszusprechen, dass der Stadtentwicklungsplan Haslach von 2008 nichts mehr gilt, weil kurz danach das »Referat für Stadtentwicklung und Bauen die Planung zur Erweiterung des Brand- und Katastrophenschutzzentrums« in Angriff nimmt. Logisch wäre es doch, zu sagen, eben des Stadtentwicklungsplans Haslach wegen hätte das »Referat für Stadtentwicklung« die Planung des Kat.S-Z an der Eschholzstraße gar nicht in Angriff nehmen dürfen. Stattdessen, in kompletter Umkehrung, Herr Rösch: der »Stadtteilentwicklungsplan 2008« wäre nie verabschiedet worden, wäre dessen Autoren die Planung Kat.S-Z an der Eschholzstraße schon bekannt gewesen. Damit bringt die Stadt sich in den Ruf, dass ihre eigenen Papiere zur Stadtentwicklung nichts wert sind, sobald irgendeine ihrer Behörden oder Planungsstellen ein »übergeordnetes Interesse« entdeckt, dass alle bisherigen Bekenntnisse (Lippenbekenntnisse, auch wenn sie schriftlich fixiert sind) schlicht über den Haufen kehrt. Auch dieser Vorgang allein ist schon ein Skandal.

Aber er ist noch zu korrigieren. Am Zug sind Bauausschuß und Gemeinderat.

 

Klaus Theweleit

13. Januar 2012



[1] »Ergebnisvermerk« über das Gespräch zur 3. Änderung des Bebauungsplans Neue Feuerwache Nr. 6-1-c. Standortalternativprüfungen«, gez. Rösch, 12. 12. 2011

[2] Pressemeldung der Stadt Freiburg vom 26. 2.2010

[3] Schalltechnisches Gutachten, Möhler + Partner, Bericht Nr. 700-3296 vom September 2011

[4] Das muß ja kein Schwabenprivileg bleiben.